Weniger ist mehr - der Tierarzt, sein Aufnahmeschein und die überflüssigen Einwilligungen
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Am 25. Mai jährte sich zum fünften Mal der Tag, an dem die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft trat. Seitdem ist der Datenschutz stärker in das Bewusstsein gerückt und hat bei vielen Unternehmen zu einigen Herausforderungen geführt. Dennoch ist der Umgang mit personenbezogenen Daten heute ein integraler Bestandteil unternehmerischen Handelns und zeigt in den meisten Fällen ein Bewusstsein für die Wahrung dieses Grundrechts gegenüber den betroffenen Personen.
Allerdings gibt es immer noch Überbleibsel aus der Vorbereitungszeit vor fünf Jahren, die weiterhin unnötig belasten. Eine solche Fehlkonstruktion ist das damals veröffentlichte Muster eines Aufnahmescheins für Tierbesitzer in tierärztlichen Kliniken und Praxen.
Bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hatte ich zwei Artikel „Der Teufel, das Weihwasser und die Einwilligungen der Tierbesitzer - Teil 1“ und „Der Teufel, das Weihwasser und die Einwilligungen der Tierbesitzer - Teil 2“ zu diesem Thema geschrieben, in denen ich ausführlich darauf eingegangen bin, warum die Einholung dieser Einwilligungen nicht notwendig ist und sogar aus datenschutzrechtlicher Sicht für den verantwortlichen Tierarzt nachteilig sein kann. Meine Aussagen von damals haben sich nicht geändert, genauso wenig wie die DSGVO oder das Bundesdatenschutzgesetz.
Zum fünfjährigen Jubiläum der DSGVO möchte ich noch einmal kurz auf die einzelnen Punkte eingehen, in der Hoffnung, dass es Tierärztlichen Kliniken und Praxen, welche den Aufnahmeschein in der Form heute weiterhin verwenden, helfen kann und sie diesen endlich kundenfreundlich und dennoch datenschutzrechtlich korrekt anpassen werden.
Es ist der Zweck der Verarbeitung - ganz einfach
Bei der Frage, ob und wie bestimmte Daten verarbeitet werden dürfen, steht immer der Zweck ihrer Verarbeitung im Mittelpunkt. Die Frage ist nicht, ob man eine E-Mail-Adresse verarbeiten darf, sondern welcher Zweck mit der Verarbeitung verfolgt wird, welche personenbezogenen Daten dafür verarbeitet werden müssen und auf welche Rechtsgrundlage sich die Verarbeitung stützen kann.
Ein Beispiel: Wenn der Tierarzt die E-Mail-Adresse von einem Patientenbesitzer erhalten hat, kann er diese für die Zusendung von Laborberichten oder Terminänderungen nutzen, solange der Kunde dem nicht explizit widerspricht. Für Impf- oder Entwurmungserinnerungen per E-Mail hingegen, die als Werbung gelten, benötigt der Tierarzt auch noch eine vorherige explizite Einwilligung des Tierbesitzers, die zu dokumentieren ist.
Der Grund für die unterschiedliche Nutzung liegt im unterschiedlichen Zweck der Verarbeitung. Im ersten Fall dient die Verarbeitung einem berechtigten Interesse des Tierarztes, während es sich im zweiten Fall um eine Marketingaktivität handelt, die nur mit Einwilligung erlaubt ist.
Die Einwilligung ist immer das letzte Mittel
Als Datenschutzberater versuche ich immer, die Verarbeitung personenbezogener Daten auf eine Rechtsgrundlage zu stützen. Erst wenn das nicht möglich ist, kommt die Einwilligung ins Spiel. Eine Einwilligung kann nämlich jederzeit widerrufen werden, was zu Chaos im Betriebsablauf führen kann. Deshalb sollte immer eine der rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, auf die eine Datenverarbeitung gestützt werden kann.
Für Tierarztpraxen und -kliniken sind im Kundenmanagement vor allem folgende Rechtsgrundlagen von Bedeutung:
- Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b DSGVO: Datenverarbeitung, die für die Begründung und Erfüllung eines Behandlungsvertrags notwendig ist.
- Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c DSGVO: Datenverarbeitung, die zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen wie z.B. die berufsrechtlich geforderte Dokumentation notwendig ist.
- Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO: Datenverarbeitung, bei der Tierarzt ein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung hat wie z.B. die Nutzung der E-Mail-Adresse zur Terminverschiebung.
Erst wenn die Verarbeitung nicht auf eine der oben aufgeführten Rechtsgrundlagen gestützt werden kann, kann die Einwilligung in Betracht kommen. Sie ist in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a DSGVO geregelt.
In der tierärztlichen Praxis ist eine Einwilligung üblicherweise jedoch nur in zwei Situationen erforderlich:
- bei Marketingaktivitäten wie z.B. Impferinnerungen per E-Mail oder SMS und
- bei der Übertragung der Rechnungszahlung an einen Zahlungsdienstleister im Rahmen einer Forderungsabtretung.
Und mit diesem Wissen betrachten wir nun die Einwilligungen auf dem Aufnahmeschein einmal etwas genauer:
Ich willige ein, dass die erhobenen Daten auch für zukünftige Behandlungsverträge genutzt werden dürfen.
Verarbeitungszweck
Nutzung der Adress- und bisherigen Termindaten in der Praxisverwaltungssoftware.
Darunter fallen nicht die Tierbehandlungsdaten, da diese keine personenbezogenen Daten sind.
Rechtsgrundlage
Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO: Das berechtigte Interesse des Tierarztes liegt in einer Optimierung des Praxisablaufs.
Begründung
In der Organisation des Betriebsablaufs gilt dieser Fall als klassisches Beispiel.
Hier steht das Interesse des Tierarztes im Vordergrund. Andernfalls müsste er bei jeder Konsultation des Tierbesitzers einen neuen Datensatz in der Praxisverwaltungssoftware erstellen und dürfte nicht auf die historischen Behandlungsdaten zurückgreifen.
Dem hat der Tierhalter kein berechtigtes Interesse entgegenzusetzen. Warum sollte er jedes Mal ein Aufnahmeformular ausfüllen müssen und der Tierarzt nicht auf historische Behandlungsdaten zugreifen dürfen?
Der Tierbesitzer hat zwar jederzeit die Möglichkeit, die Verwendung der historischen Daten zu widerrufen (Artikel 21 DSGVO), wird damit jedoch regelmäßig in der Abwägung unterliegen.
Ich willige ein, dass die erhobenen Daten, soweit erforderlich und notwendig, im Rahmen tierärztlicher Überweisungen an andere Tierarztpraxen, -kliniken übermittelt werden dürfen.
Verarbeitungszweck
Übermittlung von Tierbehandlungsdaten an eine tierärztliche Klinik oder Praxis zur weiterführenden Behandlung.
Auch hier geht es nicht um Daten zum Tier sondern lediglich, um personenbezogene Daten des Tierhalters wie z.B. Vorname und Nachname, sofern diese im Sinne einer besseren Kommunikation mit übertragen werden.
Rechtsgrundlage
Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO: Das berechtigte Interesse des Tierarztes liegt in einem optimierten Überweisungsmanagement.
Begründung
- Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Überweisung eines Tieres an eine weiterführende Klinik bzw. Praxis immer in Übereinstimmung mit dem Tierbesitzer erfolgt.
- Wenn Daten zum Tierhalter (Vorname, Nachname, evtl. Telefonnummer) mit übermittelt werden, dann dient das einer möglichst einfachen Abwicklung der Koordination. Das wiederum ist im berechtigten Interesse des überweisenden Tierarztes und im berechtigten Interesse des zur Konsultation hinzugezogenen Tierarztes.
- In der Praxis stellt sich die Frage auch deshalb schon nicht, weil der Tierhalter beim Besuch der Überweisungspraxis/-klinik sowieso einen Behandlungsvertrag abschließt und somit seine Daten bei der Überweisungspraxis/-klinik sowieso angibt.
Bei Betrachtung des tatsächlichen Ablaufs einer Überweisung und Rücküberweisung kann eine mögliche Datenübermittlung mit dem berechtigten Interesse des Tierarztes begründet werden. Das berechtigte Interesse des Tierhalters an einer Nichtübermittlung seiner Kontaktdaten müsster immer zurückstehen, weil er ja spätestens bei der Aufnahme in der Klinik bzw. Praxis, zu der sein Tier überwiesen wird, seine Daten angeben müsste.
Ich willige ein, dass die erhobenen Daten, soweit erforderlich und notwendig, im Rahmen weiterführender Diagnostik an Untersuchungslabore und Institute übermittelt werden dürfen.
Verarbeitungszweck
Der Zweck der Verarbeitung besteht darin, Laborproben von Tieren an externe Labore zu senden.
Rechtsgrundlage
In der Praxis gibt es zwei verschiedene Fälle:
- Das Labor stellt die Rechnung direkt an den Tierbesitzer.
- Das Labor stellt die Rechnung an die Tierarztpraxis.
Die rechtliche Grundlage für Fall 1 ist Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b DSGVO (Vertragserfüllung).
Für Fall 2 ist die rechtliche Grundlage Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO (berechtigtes Interesse).
Begründung
Im Fall 1 ist es üblich, dass die Laborkosten direkt zwischen Tierarztpraxis/-klinik und Tierbesitzer abgerechnet werden. Dafür ist es notwendig, die Rechnungsanschrift des Tierbesitzers an das Labor zu übermitteln. Diese Art der Abrechnung ist Teil der Geschäftsbedingungen und wird damit auch Bestrandteil des Behandlungsvertrages.
Im Fall 2 werden oft der Tiername und zur einfacheren Zuordnung auch der Nachname des Kunden an das Labor übermittelt. Für das Labor hat diese Information datenschutzrechtlich keine Bedeutung. Es könnte genauso gut ein Phantasiename (oder die Kundennummer) übermittelt werden. Das hätte keine Auswirkungen auf den Ablauf im Labor und würde ebenfalls akzeptiert werden. Die Kombination von Tier- und Kundenname dient meist nur als eindeutiges Identifikationsmerkmal für die sendende Klinik/Praxis bei der Zuordnung der Laborprobe zu dem Vorgang. In solchen Fällen kann die Übermittlung mit dem berechtigten Interesse begründet werden.
Die beste Lösung in Fall ist sicherlich, wenn die sendende Klinik/Praxis grundsätzlich ein Zuordnungsmerkmal verwendet, das aus Sicht DRitter keine personenbezogenen Daten enthält, wie zum Beispiel die Kundennummer des Tierbesitzers.
Ich willige ein, dass mich die tierärztliche Praxis Klinik telefonisch über Laborergebnisse und Terminplanung informiert.
Verarbeitungszweck
Schnelle und einfache Kommunikation zur Optimierung des Praxisablaufs.
Rechtsgrundlage
Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO: Das berechtigte Interesse des Tierarztes liegt in einer Optimierung des Praxisablaufs.
Begründung
Wenn ein Tierhalter seine Telefonnummer angibt, möchte er schnell informiert werden. Es ist daher unnötig zu fragen, ob er tatsächlich angerufen werden möchte.
Wenn er keine Anrufe mit Informationen zu seinem Termin oder Tier erhalten möchte, wird er keine Telefonnummer angeben.
Er hat jedoch jederzeit die Möglichkeit, die telefonischen Kommunikation zu widerrufen (Artikel 21 DSGVO). Er muss dies jedoch ausdrücklich mitteilen.
Ich willige ein, dass mich die tierärztliche Praxis/Klinik per Post informiert.
Verarbeitungszweck
Werbeaktivitäten durchführen.
Rechtsgrundlage
Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO: Das berechtigte Interesse des Tierarztes liegt in der Darstellung und dem Angebot seiner Leistungen.
Begründung
Werbung wie Impferinnerungen per Brief sind erlaubt. In dem Erwägungsgrund 47 „Überwiegende berechtigte Interessen“ der DSGVO steht: „Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.“
Deshalb kann man einem Tierhalter so lange Impferinnerungen per Post senden, bis er diesem Vorgehen widerspricht (Widerspruch gemäß Artikel 21 DSGVO).
Wichtiger Hinweis:
Anders sieht es aus, wenn die Impferinnerung oder andere Werbung per E-Mail, per SMS oder per Telefonat übermittelt wird. Dann greift deutsches Recht in Form des 7 UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb). Dort steht in Absatz 2 Nr. 2 und Nr. 3, dass bei Werbung „eine unzumutbare Belästigung mit einem Telefonanruf, einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post (E-Mail, SMS) anzunehmen ist, wenn es keine vorherige Einwilligung gibt.
Hierfür muss die Einwilligung vorab eingeholt werden!
Dies ist der Grund, weshalb zwischen Werbung per Post und per E-Mail oder SMS unterschieden werden muss.
In einigen Versionen des als Musterexemplar veröffentlichten Aufnahmescheins für Tierbesitzer gab es auch noch eine sechste Einwilligung. Diese soll hier der Vollständigkeit halber aufgeführt werden.
Ich willige ein, dass die erhobenen Daten auch im Rahmen einer Weiterführung der Praxis durch einen Nachfolger weiter bestimmungsgemäß genutzt werden dürfen.
Verarbeitungszweck
Die vorhandenen Kundenkontakte werden im Rahmen einer Nachfolgeregelung an einen Dritten übertragen.
Rechtsgrundlage
Es gibt keine gültige Rechtsgrundlage für diesen Vorgang.
Begründung
Normalerweise erfolgt die Übertragung auf Basis einer Einwilligung. Allerdings erfüllt die hier genutzte Einwilligung nicht die Anforderungen gemäß Erwägungsgrund 32 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Zu dem Zeitpunkt, an dem die Einwilligung eingeholt wird, - bei der erstmaligen Konsultation des Tierarztes - sind die tatsächlichen Umstände zu unsicher (Wann erfolgt die Übertragung? An wen erfolgt die Übertragung? Erfolgt überhaupt eine Übertragung?).
Gemäß Erwägungsgrund 32 der DSGVO sollte die Einwilligung "durch eine eindeutige, bestätigende Handlung erfolgen, bei der die betroffene Person freiwillig und informiert zum Ausdruck bringt, dass sie mit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten einverstanden ist.
In der Praxis ist es üblich, im Rahmen der Übertragung von Kundendaten eine Einwilligung zu dem Zeitpunkt der tatsächlichen Übertragung einzuholen. Dann können auch die konkreten Informationen erteilt werden.
Fazit:
Wenn man sich an die hier dargestellte Vorgehensweise zur Begründung der Rechtsgrundlage für die jeweilige Datenverarbeitung hält, kann man unnötigen Bürokratismus in Anmeldeformularen vermeiden, eine datenschutzrechtlich sichere Datenverarbeitung gewährleisten und sowohl den Tiermedizinischen Fachangestellten als auch den Tierbesitzern viel Frustration am Empfang ersparen.
Die hier beschriebene Vorgehensweise wird seit Inkrafttreten der DSGVO von allen meinen Kunden im tiermedizinischen Sektor angewendet und es gab bisher keine Beschwerden hierzu.
Nur bei der Versendung von Impferinnerungen per E-Mail und bei der Abtretung von Forderungen an externe Zahlungsdienstleister ist im tiermedizinischen Kundenmanagement eine Einwilligung erforderlich. Alle anderen Verarbeitungsvorgänge können datenschutzrechtlich alternativ begründet werden.
Gerne unterstützen wir Sie bei Fragen oder bei der Umsetzung. Gemeinsam für ein einfaches Aufnahmeformular. Denn gute Tiermedizin ist wichtiger als überflüssige Bürokratie. Sprechen Sie uns einfach an.